Hintergrund
Die psychosoziale Versorgung von Menschen muslimischen Glaubens ist durch verschiedene Faktoren wie Migrationsgeschichte oder sozioökonomische Nachteile erschwert. Hinzu schaffen gesellschaftliche und (sozial-)politische Rahmenbedingungen erhebliche Hürden, muslimische Patienten, die ihre Religion zumeist als Lebensweise verstehen, in ihrer religiösen Weltsicht und Sinnorientierung auf Gott hin wissenschaftlich fundiert gerechtzuwerden. Maßgeblich bleibt in der unverändert defizitären Versorgungssituation die therapeutische Grundhaltung, um muslimische Patienten dort abzuholen, wo sie sind. Wie die konkrete Umsetzung einer adäquaten Versorgung muslimischer Patienten sich konkret gestalten kann, wird in dieser Fortbildung genauer beleuchtet.
Zielgruppe
Diese Fortbildung richtet sich an angehende oder erfahrene Psychotherapeuten, die in ihrer therapeutischen Praxis mit muslimischen Patienten in Berührung kommen. Für die Teilnahme an der Fortbildung ist es nicht wichtig, ob sie muslimisch oder religiös sind. Die vermittelten Konzepte sind therapieschulenunabhängig anwendbar und dienen der weiteren Professionalisierung und Reflexion der eigenen Grundhaltung in der therapeutischen Praxis mit muslimischen Patienten. Konzeptionelle Basis für die besprochenen Inhalte ist die religionssensible Psychotherapie.
Modulinhalte der Fortbildung „Muslimische Patienten in der Psychotherapie“
Modul 1: Allgemeine Einführung, Situation der MuslimInnen in Deutschland
Modul 2: Der Islam als Religion
Modul 3: Das Verhältnis von Religion und Tradition
Modul 4: PatientInnen und TherapeutInnen
Modul 5: Grundsätzliches zum Umgang mit dem Islam und MuslimInnen in der Therapie
Modul 6: Die Bedeutung der religiösen Anamnese bei MuslimInnen
Modul 7: Die Bedeutung kultursensibler Kompetenz
Modul 8: Die Mehrdimensionale Fallanalyse
Modul 1 führt in das Thema „Muslimische Patienten in der Psychotherapie“ ein. In einem ersten Schritt wird der Frage nachgegangen, warum eine Fortbildung zu diesem Thema sinnvoll und notwendig ist. Danach wird in einem zweiten Schritt die diverse Situation der Muslime in Deutschland bezüglich ihrer nationalen Herkunft sowie die Verschiedenheit der religiösen Gruppierungen mit ihren wichtigsten Unterschieden dargestellt. Zum Schluss dieses Moduls wird kurz auf den Begriff der sog. Hochreligiosität mit Blick auf muslimische Patienten eingegangen.
Modul 2 vermittelt einen allgemeinen Überblick über die Grundlagen und das Selbstverständnis der islamischen Religion, über die TherapeutInnen informiert sein sollten, die mit religiösen MuslimInnen arbeiten. Dazu werden die Bedeutung des Koran und des Vorbildes des Propheten Muhammad dargestellt sowie das Religionsverständnis besprochen. Weitere wichtige Themen sind das Gott-Mensch-Verhältnis und das damit verbundene Menschenbild sowie das Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Weiter werden allgemeine Auswirkungen der Religion auf den Lebensalltag der Muslime, insbesondere auch der Umgang der Geschlechter behandelt, da Konflikte in diesem Bereich häufig sind. Abschließend werden therapeutisch relevante Konfliktfelder dargestellt, die sich aus den angesprochenen Themenkomplexen ergeben.
In Modul 3 wird das für die Therapie muslimischer PatientInnen wichtige Verhältnis von Religion und Tradition anhand der Darstellung wichtiger soziologischer Zusammenhänge aufgezeigt. In einem ersten Abschnitt werden einige Beispiele kulturell und religiös geprägter Vorstellungen über die Herkunft psychischer Erkrankungen besprechen, die TherapeutInnen kennen sollten und durch einige Patientenbeispiele aus dem mediterranen Kulturraum illustriert.
In Modul 4 wird das therapeutische Geschehen unter dem Blickwinkel bewusster und unbewusster Voraussetzungen sowohl auf PatientInnen- als auch auf Therapeutenseite besprochen, die beide einen ungünstigen Effekt auf den Therapieverlauf haben können. Mit einem kleinen Selbsterfahrungsanteil werden danach die Voraussetzungen auf Seiten der TherapeutInnen beleuchtet, da der Therapieraum selbstredend kein Ort voraussetzungsloser Begegnung ist. Dies betrifft sowohl muslimische als auch nichtmuslimische TherapeutInnen.
In Modul 5 setzen wir uns mit grundsätzlichen Aspekten des Umgangs mit dem Thema Islam und muslimischen PatientInnen in der Therapie auseinander. Hier wird u.a. der Frage nachgegangen, was muslimische Patienten von anderen unterscheidet, welche speziellen Aspekte zum Tragen kommen und wie der Umgang mit traditionellen Krankheitsvorstellungen wie Besessenheit und Zauber aussehen kann. Es folgen einige Regeln zum Umgang mit muslimischen Flüchtlingen und deren Traumatisierungen. Abgeschlossen wird das Modul mit einigen für die Praxis bedeutsamen zentralen Leitsätzen.
In Modul 6 wird in einem ersten Schritt die Bedeutung von Religiosität bzw. Spiritualität in der Psychotherapie vorgestellt und vor diesem Hintergrund die Vorteile einer speziellen religiösen und spirituellen Anamnese besprochen. Zu deren Durchführung werden sowohl das Assessmentinstrument SPIR als auch die Ergebnisse einer eigenen Durchführung unter muslimischen Patienten und die Implikation für die Praxis vorgestellt.
In Modul 7 wird aufgrund der starken kulturellen Verbindung mit der Religion die Bedeutung der sog. kultursensiblen Kompetenz besprochen. Diese ist besonders wichtig, da sich auch heute noch unter den muslimischen PatientInnen viele Migranten aus anderen kulturellen Kontexten befinden. Nach einigen Überlegungen zur Definition von „Kultur“ werden die wichtigen Bereiche Einstellungen, Fertigkeiten und Wissen auf Therapeutenseite besprochen und an Beispielen verdeutlicht.
Im letzten Modul 8 wird die sog. Mehrdimensionale Fallanalyse vorgestellt, die sich besonders bei der Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen bewährt hat. Auf den Ebenen Migration, Kultur, Medizin/Psychiatrie/Psychologie, Soziales und Religion werden jeweils alle relevanten Aspekte erhoben und an Beispielen erläutert. Dabei ergeben sich falltypische Schwerpunkte, die verhindern, dass bestimmte Konflikte nur auf einer Ebene wahrgenommen werden. Abschließend wird die Bedeutung der Mehrdimensionale Fallanalyse auch für die Patienten selbst besprochen.
Kursmerkmale
- Kurse 18
- Test 8
- Dauer 4 Stunden
- Qualifikationsniveau Alle Stufen
- Sprache Deutsch
- Teilnehmer 40
- Zertifikat Ja
- Beurteilungen Selbst